Weltberühmt wurden diese einleitenden Takte durch Stanley Kubrick’s Film «2001: Odysse im Weltraum», der am 2. April 1968 uraufgeführt wurde.
Kubricks Weltraum-Epos erzählt eine mystisch-mythologische Geschichte der menschlichen Evolution über einen Zeitraum von 4 Millionen Jahren. Die Haupthandlung des Films, der im Jahr 2001 spielt, zeigt, wie der Astronaut Bowman eine Odyssee im Weltraum erlebt, an deren transzendentem Ende Bowman unmittelbar nach seinem Tod als astrales “Sternenkind” wiedergeboren wird.
Der Film, der als Meisterwerk gilt, bietet Raum für verschiedene allegorische und philosophische Interpretationen. Noch vor der ersten bemannten Mondlandung und Jahrzehnte vor der Entwicklung der digitalen Bildanimation lieferte Kubrick durch innovativ eingesetzte Kamera- und optische Effekttechniken realistisch empfundene Bilder des Weltraums.
Neu komponierte Filmmusik wurde von den Hollywood-Produzenten als äusserst wichtiger Faktor für das Marketing angesehen und galt als wichtiger Bestandteil jeder Werbekampagne. Jedoch entschied sich Kubrick, nicht unbedingt freiwillig, als Titelsong des Filmes für einen bestehenden Klassiker – das Stück «Also sprach Zarathustra» von Richard Strauss. Das ganze musikalische Werk ist ziemlich komplex und basiert auf dem philosophischen Roman von Nietzsche. Das Buch wiederum ist wie ein klassisches Epos aufgebaut, mit vielen Episoden, in denen der propheten-ähnliche Zarathustra Gleichnisse erzählt oder sich zu verschiedenen Ideen und dem, was in der Welt falsch ist, äussert.
Der breiten Öffentlichkeit ist der Name Zarathustra durchaus dank Nietzsches Roman bekannt, dessen erster Teil im Jahre 1883 erschienen ist. In diesem Buch «für Alle und Keinen» lässt Nietzsche seinen Zarathustra, dessen Name ihm «zugleich lieb und schwer ist», den Tod Gottes und die (oft missverstandenen) Lehren vom Übermenschen und vom «grossen Mittag» verkünden.
Der hohe oder grosse Mittag wird zum ersten Mal am Ende des ersten Teils von Zarathustra erwähnt, in der Zarathustra sich von seinen Jüngern verabschiedet, um wieder in seine Einsamkeit zu wandern. Der grosse Mittag bezeichnet dort ein in der Zukunft liegendes Ereignis, bei dem der Mensch auf der Mitte seines Weges zwischen Tier und Übermensch steht; so wie die Sonne zwischen Morgen und Abend mittags die Hälfte ihres Laufs erreicht. In diesem Moment steht der Mensch – auch wie die Sonne – am höchsten Punkt seiner Wissens- und Strahlungskraft. Hier begreift er nun die Notwendigkeit seines eigenen Untergangs, der Nivellierung seiner Gattung als Voraussetzung für die Geburt des Übermenschen.
Der grosse Mittag ist somit eng mit dem Begriff des Übermenschen verbunden und soll die Jünger an dieser Stelle ein letztes Mal an den vorläufigen Kern der Lehre Zarathustras erinnern. Hier tritt die Assoziation des zyklischen Laufs der Sonne mit einer ewigen Wiederholung des Gleichen – wie es zur Lehre von der ewigen Wiederkehr passen würde – in den Hintergrund. Vielmehr wird eine Assoziation des linearen Auf- und Abstiegs der Sonne mit dem Auf- und Abstieg der Menschheit betont, die sich somit besser zur Veranschaulichung des Übermenschen eignet. Hier lohnt es sich durchaus, die Handlung im Film mit Nietzeschs Philosophie zu vergleichen.
Es lässt sich zwar immer noch nicht genau rekonstruieren, wie Nietzsche auf die Idee verfiel, seinen einsamen Wahrheitsverkünder «Zarathustra» zu nennen. In einem späteren Werk, dem «Ecce homo» (1889), legt er allerdings eine Fährte: Zarathustra habe als erster in der Geschichte «im Kampf des Guten und Bösen das eigentliche Rad im Getriebe der Dinge gesehen». Da der Perser Zarathustra wahrhafter und tapferer gewesen sei als sonst ein Denker, sei gerade er wie kein anderer dazu in der Lage, diesen «verhängnisvollen Irrtum» einzusehen.
Im Folgenden geht es nun aber nicht mehr um den Zarathustra Nietzsches, sondern um die östliche (und immer noch lebendige) Religion, die Zarathustra als ihren «Stifter», «Propheten» oder «Reformator» in Anspruch nimmt.
In quantitativer Hinsicht ist die Religion Zarathustras mit ihren weltweit vielleicht 130 000 Anhängern nicht weiter beachtenswert. Zugleich gilt sie jedoch als eine der ältesten Religionen der Welt, und dementsprechend wird sie in fast allen religionsgeschichtlichen Handbüchern behandelt.
Schauen wir uns doch kurz die Quellen an. In der griechischen Literatur soll Zarathustra alias Zoroastres (Zoroaster) erstmals im 5. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung (v. Chr.) erwähnt worden sien. Zugleich aber dürfen wir annehmen, dass er wesentlich älter war, denn unser Gewährsmann, Xanthis der Lydier, weiss zu berichten, dass Zoroaster, der Perser, 6000 Jahre vor dem Jahre 480 gelebt habe, als der persische Grosskönig Xerxes den Hellespont überquerte.
Sie geben uns aber keine zuverlässigen Antworten auf unsere Fragen nach Zarathustras Lebenszeit und -ort.
Es gibt noch weitere «Fakten», und diese sind erst recht schwer zu beurteilen. Sie bestehen darin, dass der Name Zarathustra (eigentlich «Zarathushtra») in alten Texten vorkommt, die noch heute von zarathustrischen Priester und Laien in Ritualen und Gebeten aufgesagt wird. Diese Texte sind in einer altiranischen Sprache verfasst, die als «Avestisch» bezeichnet wird. Die Sammlung dieser Ritualtexte heisst «Avesta». Für die Niederschrift dieser Texte entwickelte man vermutlich zwischen dem 5. und 7. Jahrhundert n. Chr. eine spezielle Schrift, nachdem sie die längste Zeit mündlich überliefert worden waren.
In der Anordnung, in der die Texte zu uns gekommen sind, umrahmen die Sakralformen zwei etwas längere Texte: Eine Verehrungslitanei. die im Zentrum steht, sowie fünf Gesänge (Gatha), die für unsere Fragestellung besonders wichtig sind, weil in ihnen mehrfach und an zentraler Stelle eine Person namens Zarathustra in Erscheinung tritt.
Hier möchten wir diese philosophische Mittagsreise wieder beenden und zu folgender, relativ mutigen Schlussfolgerung kommen:
Wenn wir das avestische Wort «Gatha» mit dem verwandten indischen «Gita» aus dem Sanskrit vergleichen, sind wir uns alle einig, dass diese in ihrer fundamentalen Form beinahe identisch sind. In beiden Sprachen übersetzt man es als «Göttliche Gesänge (oder Hymnen)». Gatha, Gita, Gott, Gotisch, Güte, Gut, wirken rein akustisch enorm verwandt – jedoch wird etymologisch oder besser gesagt wissenschaftlich keine Verwandtschaft angenommen.
Wir wünschen Ihnen in dieser Hinsicht trotzdem einen guten Appetit und ein gutes Bauchgefühl (Englisch: good gut feeling).
(Quellen & Inspiration: Michael Stausberg – C.H.BECK, Wikipedia)
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